Sie sehen aus wie eine junge, ehrgeizige Rockband aus dem Herzen New Yorks. Aber diese fünf Hipster kommen nicht aus Brooklyn, auch nicht aus dem Vereinigten Königreich oder gar aus Schweden, sondern aus Ungarn. Seit The Moog mit ihrem Debütalbum „Sold For Tomorrow“ in halb Europa und noch mehr in den USA für beachtliche Aufmerksamkeit gesorgt haben, ist das osteuropäische Land kein weißer Fleck mehr auf der rockmusikalischen Landkarte. Mit der Veröffentlichung von „Razzmatazz Orfeum“ – der Titel kombiniert das englische Wort für Rummel mit der ungarischen Bezeichnung für einen Künstlertreff aus der Zeit der Habsburgerdynastie - geht die Erfolgsgeschichte der 2004 in Budapest gegründeten Band in die nächste Runde. Tonyo Szabo (voc, key), Adi Bajor (g), Miguel Gyorgy (g), Csaba Szabo (b) und Gergo Dorozsmai (dr) präsentieren sich auf ihrem zweiten Album reifer und abwechslungsreicher als auf dem Debüt. Neben der bislang charakteristischen Kombination aus Powerpop und Sixties-Garagen-Rock überraschen The Moog nun auch mit einem überschwänglichen Mix aus Art- und Postpunk, Elektropop und Glampunk, geschmackvoll abgerundet mit einem Schuss Gothic-Wave á la Bauhaus sowie Melodien, die trotz aller angloamerikanischer Einflüsse die osteuropäische Herkunft der Gruppe nicht verleugnen. Passend zum Gothic-Wave, der sich auch im neuen Look der Band widerspiegelt – man trägt Hemden und Anzüge wie aus Francis Ford Coppolas Verfilmung von Bram Stokers „Dracula“– , bezieht sich die Band in einigen Songs auf die uralte Mär vom Vampir. Gleich der stürmische Albumeinstieg „This Is Horror“ mit treibendem Rhythmus, hochfliegenden Gitarrenlinien und emphatischem Gesang verbreitet eine bedrohliche, gleichwohl seltsam anziehende Atmosphäre. Auf den Horror folgt inmitten nervös-hektischer Beats, mäandernden Gitarren und einem Tonyo Szabo auf den Spuren Kurt Cobains blanke Panik - „Panic“ weicht dann jenem wohligen Schauer, der einhergeht mit der Faszination für Dracula, Nosferatu, Lestat und wie ihre Wiedergänger sonst noch alle heißen, brillant verdichtet in der Garage-Goth-Dance-Rock-Hymne „You Raised A Vampire“, eine hochdramatische Ode an die romantische, ewig währende Liebe. Das stimmungsvolle Video zu „You Raised A Vampire“, das als erste Singleauskopplung in Ungarn gleich Platz 1 der Charts der größten Radiostation des Landes belegte, entstand stilecht in jenen düsteren Gemäuern in Budapest, in denen schon Teile des ersten Underworld-Films gedreht wurden. Für die B-Seite der Single spielten The Moog mit Unterstützung des Bauhaus-Bassisten David J, der ein großer Fan der Ungarn ist, eine Coverversion des Bauhaus’ Titels „The Passion Of Lovers“ ein. Die Version des Goth-Klassikers fehlt zwar auf dem Album. Aber als Motto passt „The Passion Of Lovers“ perfekt zu etlichen Albumtiteln, etwa zu „Mina“, einem Tribut an Mina Harker aus Bram Stokers „Dracula“, zu dem von schweren Klavierakkorden getragenen „Epilogue“ und zu der opulenten Rockballade „When I See You“, die sich sowohl bei amerikanischen Radiostationen als auch bei MTV – das Video drehte Starregisseur AG Garth (White Stripes, Von Bondies) - großer Beliebtheit erfreut. Nach dem nicht minder hochemotionalen, Bowie/Ziggy verwandten „Can’t Say No, Can’t Say Yes“ zeigen The Moog vom turbulenten „Sphinx“ bis zum Falsettgesang von „Self And Soul“ nachdrücklich ihre Vielseitigkeit. „Lost Day“ ist eine süchtig machende Britpop-Nummer mit Stadien füllendem Refrain, für den auch Jarvis Cocker sein letztes Hemd geben würde. „Make Me Happy“ könnte aus einem Phil Spector Songbook für Girl-Bands der sechziger Jahre stammen. Und „Joyclad Armies“, das neben Songs von The Gossip, MGMT, Metric und Kayne West als Musik für die aktuelle Ausgabe des Basketball-Computer/Videospiels NBA2K10 ausgewählt wurde, verweist auf den Euro-Dancepop der 80er. Wie schon beim Debütalbum, das von dem renommierten Produzenten Jack Endino (Nirvana, Soundgarden, Hot Hot Heat) abgemischt wurde und das mit „I Like You“ einen veritablen Indie-Hit enthielt, setzte die Band auch bei den Aufnahmen ihres zweiten Albums – wieder in Seattle - auf die Talente eines namhaften Produzenten: Geoff Ott, bekannt für seine Arbeiten mit Pearl Jam, Queens Of The Stone Age und Mark Lanegan. Dass Tonyo Szabo, Adi Bajor, Csaba Szabo und Gergo Dorozsmai - Miguel Gyorgy ist erst seit 2006 dabei - irgendwann mal mit Jack Endino oder mit Geoff Ott zusammen arbeiten würden, noch dazu in jener Stadt, in der Grunge erfunden wurde, dass hätten sie sich 2004, als sie The Moog gründeten, nicht träumen lassen. Doch inzwischen ist so mancher Traum wahr geworden für die einstige Schülerband, die ihre Begeisterung für die Musik der Beatles, Kinks, Nirvana, Beach Boys, Sonics, David Bowie, Ramones, Buzzcocks, Blondie, Clash, Smiths, Blur, Bauhaus, Cramps, Gene Pitney, Marc Bolan und Roxy Music in eine eigene hinreißende Rock’n’Roll- Version übertragen hat. Sie veröffentlichen ihre Alben in den USA auf dem renommierten Indie Label MuSick Records, arbeiten bei ihren Videos mit namhaften Regisseuren zusammen, wurden für die MTV-Europe-Awards nominiert und nach dem ersten Album als Ungarns Antwort auf Mando Diao - selbst von den Fans der Schweden - gefeiert. Heute sind The Moog, die sich nicht, wie man annehmen könnte, nach dem legendären Synthesizer, sondern nach einem Club in Barcelona benannt haben, die erste ungarische Band, die auch international erfolgreich ist und regelmäßig durch Westeuropa und die USA tourt – im Mai geht es bereits zum vierten Mal für eine längere Tournee über den großen Teich. Allein was noch fehlt, ist der ganz große Durchbruch. Dem ist die Band mit ihrem furiosen zweiten Album „Razzmatazz Orfeum“, das nun auch in Deutschland mit einer Version des wenig bekannten Ramones-Klassikers „Don’t Let Go“ als Bonustrack erscheint, einen gewaltigen Schritt näher gekommen. Im Mai werden sie wieder bei uns auf Tour sein, im Sommer sind diverse Festivals anvisiert.